Wappen der Familie Sellschopp

Gener. Cons.
Kirchengericht (Kirchenstrafe bei Landesverweisung)
1715.

Durchleüchtigster Hertzog!
Gnädigster Fürst und Herr!

Ew. Hochfürstl. Drl. Hochfürstlichem Consistorial-Gericht habe
in gebührender Unterthänigkeit zu referiren, wie allhier 2
Persohnen leider durch Satans Verführung und ihres verderbten
Fleisches Einwilligung contra 6tum[1] enormiter in puncto adulterÿ pec-
ci
ret[2], namlich Baltzer Diekmann ein Tag-Löhner allhier der sein
Weib und Kinder hat, und Trine Harms eine Wittwe, 40 Jahr
etwa alt. Diese gehet aus ihr Brod in der Nähe zu betteln, welches
jener sehend, ihr nachgehet und in einem nahe gelegenen Busche
sie ergriffet, seine Schande mit ihr zu treiben, sie verwehrt sich
aber, wie sie vorgibt, seiner, und gehet mit ihm weiter fort
bis an einen andern busch, da wil sie den rechten Weg nach dem
nechsten Dorffe zugehen, läßt sich aber durch viele gute Wor-
te von ihm in diesen Busch verleiten, und wie sie hinein kom-
men, bewerkstelligen sie ihre Ehebrechereÿ und machen also die
Glieder Christi zu schändliche Huren und Ehebrecher-Glieder.
Nach Verfließung eines halben Jahres kömmt adultera[3] zu mir,
und klaget mit Thränen, wie adulter sie genothzüchtiget, wann
er sie zu 2en mahlen attaquiret[4], und ob sie gleich in dem ers-
ten busche sich von ihm losgerißen, habe er sie doch in dem
andern gewaltthätig unter sich gebracht, ihr die Beine mit al-
ler Macht voneinander gebrochen, und sie darauff geschwän-
gert, ihre Sünde wäre ihr leid, ich möchte sie ihr vergeben, sie
wolte gerne Buße thun. Ich gab ihr zur Antwort: die Sache
müste erstl. genauer untersuchet werden, könte sie die Noth-
züchtigung erweisl. machen, so wäre sie eine ehrliche Frau,
und bedürffe keiner Kirchen-buße, allein sie machte sich selber
verdächtig, weil sie saget, sie habe sich in dem andern busch
von ihm verleiten laßen, sie hätte so gleich nach seinem ersten
schändlichen Zumuthen sich wieder zurückbegeben, und sich seiner
gäntzlich entschlagen sollen, da sie sich also schwängern laßen,

stünde es beÿ mir nicht, solches schlechterdings durch die Kirchen-buße
abzuthun. Ich ließ sie hiemit gehen, und meldete es so gleich dem Hln
Lieut. von Restorff als hiesiger mittelbahren Obrigkeit an, der
sie denn alsofort fodern ließ, und als sie ankam befragte, ob sich
die Sache also verhielte, wie sie gegen ihren Beicht-Vater sich heraus-
gelaßen: Ja sagte sie, und fing an zu heülen und wehklagen, es hat
mir der Ehebrecher Gewalt angethan und mich genothzüchtiget.
Hierauff wurde adulter mit
Klägerin in meiner Gegenwarth von dem Hln Lieut. Restorff
und dem Hln Stadtvogt Schaller aus Sternberg zum öffenl. Ver-
hör gebracht, da denn adulter durchaus nicht gestehen wollen
daß Er ihr Gewalt angethan, sondern es seÿ ihrer beÿder Wille
gewesen, und obgleich er ihr in die Augen gesagt, sie habe ja vor-
her schon in seines Vaters Caten, da sie ihn geläüset, die
Schande freÿwillig mit ihm getrieben, leügnete sie doch solches
und fluchte, Gott solte geben, daß sie vor ihm in die Erde
süncke, so das wahr seÿ, als er ihr den Rock in die Höhe brin-
gen wollen, hätte sie ihn an den Halß geschlagen, und
wäre davon gegangen. Es wurde ihr in diesem Verhör genugsahm
remonstriret[5], daß sie sich nicht als eine genothzüchtigte ange-
ben könte, allein es wolte alles nichts beÿ ihr verfangen,
man konte sie zu keinem Erkenntniß bringen, ward also
das Protokollum zur Hochfürstl. justice übersandt,
welche denn hierüber das Urtheil verfaßet, daß, weil a-
dulteri
Eheweib für ihren Mann gebeten, er ein paar
Stunden im Halß-Eisen stehen und nachgehends die Kirchen-
Buße verrichten, nach Verlauff aber 2er oder 3er Jahre das
im Ehebruch erzeügte Kind zu sich nehmen und alimentiren,
adultera
aber durch den Frohn verwiesen werden
solte. Solch Urtheil nun hat hl Lieut. von Restorff ger-
ne publiciren und exequiren laßen wollen, allein adulter
ist auff keiner Foderung erschienen das Urtheil anzuhören,

und endlich gar davon gelauffen. Mittlerweile geneset adultera
mit ihrem Kinde, und gehet nun schon mit demselbigen, wiewohl
sehr miserable herümb ihr Brodt zu suchen, ist auch zu mir gekom-
men hat ihre Sünde erkannt und verlanget mit Gott und
dieser so hart geärgerten Gemeine ausgesöhnet zu werden.
Wann aber dieselbige schon vor etwa 4 Jahren auf 9 5ten
sehr gröbl. allhier pecciret, da sie zu Abtreibung einer Huren-
Frucht, (welche schändl. Mord-That Gottes Allmacht und gnädige
Vorsehung damals doch nicht zum effect kommen laßen) Rath
und That gegeben und geholet, auch deswegen mit dem Halß-
Eisen gestrafft und nachgehends die Kirchen-Buße verrichtet,
und ich auch in Hochfürstl. E. K. A. vor mir finde, Es
soll in einer gar zu großen Sache vom Consistorio die Er-
mäßigung der Arth und Schärffe gesuchet werden, als habe
solchem Hochfürstl. Befehl Unterthänigste parition[6] leisten,
und im Hochfürstl. Consistorium mit allem gebührenden
Respect ümb Gnädigste Information imploriren sollen,
auff was Arth adultera ihre Kirchen-Buße müße verrichten,
weil das Urtheil ihr mir allein die relegaiem cum infamia[7] zuer-
kennet; 1) Ob sie auf der ordinairen Sünder-Bank sitzen solle,
darauff andere, die nicht so enorm pecciren[8], sitzen müßen.
2) Ob die Vermahnung an die Christl. Gemeine, sie als eine buß-
fertige Sünderinn od. ä E. K. A. als ein verwirretes und nun wie-
dergefundenes Schaff wieder mit auffzunehmen, ich diesmahl
unterlaßen müße, weil sie soll relequiret[9] werden. 3) Ob
sie, wenn sie nachgehends ad S. Coenam admittiret[10] wird,
mit unter der Christl. Gemeine im Stuel stehen könne.
Dieses und so noch ein mehres von mir zu observiren[11], hoffe
ich gnädigst belehret zu werden, womit unter hertzlicher
Anwünschung einer von Gott hochgesegneten höchst glückseligen
Hochfürstl. Regierung lebenslang verbleibe

Ew. Hochfürstl. Drl.

Witzin d 14 Maj.
1715
Unterthänigster Knecht, und schuldigst
bereitwilligster Vorbitter beÿ Gott
Johannes Andreas Selschop. P.

Unterthänigstes Supplicatum[12]
Umb Gnädigste Information:

Wie eine adultera[13] ihre Krirchen-
Buße verrichten müße, die
schon vormahls enormiter pecciret[14]
und deswegen gestrafft worden.

Pr: d 18 Maÿ.
1715

Ich hielte in diesem casu[15] dafür, daß adultera,
wenn Sie sich bußfertig betrüget, [u. ihr Pastor Ihr
Ihre begangene schwere Sünde zuförderst mit
nachdrücklicher schärffe exprobriret[16]] privatim
zu absolviren auch auff gleiche Art zu communiciren
seÿ. Ehe Pastor gebe ihr darauff einen Schein
daß Sie ihre Sünde ante relegationem[17] erkannt
und privatim ad {…} admittiret worden,
damit an andre Ort außer Landes Sie etwas
auffweisen könne. immittelst wäre der Gemeine
[pro concione][18] anzuzeig, weil diese person cum infamia relegi-
ret
[19], so hätte Sie in die Gemeinschaft derselben
nicht wieder können auffgenommen werden, und
solte andren an ihrem exempel sich spiegeln. Doch
hätte Sie ihre Sünde privatim bereüet, und sich
die richterliche Straffe gefall laß, annexo voto[20]
daß Sie Gott für ferner Sündfall bewahr wolle, und
die Gemeine des Ortes für allem scandaleusen {…}
befreiet bleibe.   Rostock 21-Maÿ 1716

JFD. [GSP.]


Dem
Ehrw Past. Selschop zu
Witzin.

C. L.

Würdiger. Zu ff Ewre unterthl. eingesandte
Denunciation [u. bitte um Information] wegen Trine Harms, welche
mit Baltzer Diekmann einem verehelichten
Manne in Ehebruch gelebet, worauff Ihr
laut Ewrem Bericht von unser Justice die
Landes-Verweisung zuerkannt, [wie dieselbe
ihre Kirchen-Buße verrichten müße, da sie
schon vormahls enormiter pecciret u. deswe-
gen gestrafet worden] geben wir Euch hie-
mit zum gn. Bescheide: daß Trine Harms,
wenn sie sich bußfertig bekennet, u. Ihr
derselbe Ihre begangene schwere Sünde
zuvorderst mit nachdrücklicher schärffe
exprobriret, privatin zu absolviren, auch
auff gleiche art zu communiciren sey.
worauff Ihr deselbe einen Schein ertheilen
könnet, daß Sie Ihre Sünde ante relegationem
erkant, und privatim ad sacra were admitti-
ret worden damit an andern Orthen außer
Landes Sie etwas auffweisen könnet.
Inmittelst ist der Gemeine pro concione an-
zuzeigen, weil die Persohn cum infamia re-
legi
ret, so hatte Sie in die Gemeinschafft
derselben nicht wieder können auffge-
nommen werden, und solten andere an
ihrem Exempel sich spiegeln, doch hette Sie
ihre Sünde privatim bereuet, und sich
die Richterliche Straffe gefallen laßen,
a meo voto, daß Sie Gott für ferneren
Sündenfällen bewahren wolle, und die Ge-
meine des Orthes für allem scandaleusen
{…} befreiet bleibe.   Rostock
d 21 Maÿ 1715


  1. gegen das sechste Gebot
  2. hinsichtlich des Ehebruchs gesündigt
  3. die Ehebrecherin
  4. attackiert
  5. widersprochen
  6. Gehorsam, Folgeleistung
  7. relegatio cum infamia: Auschließung mit Schande
  8. sündigen
  9. ausgestoßen
  10. zum heiligen Abendmahl zugelassen
  11. zu beachten
  12. flehentliche Bitte
  13. Ehebrecherin
  14. gesündigt
  15. in diesem Fall, in dieser Sache
  16. vorwirft
  17. vor der Verbannung
  18. zur Kenntnis
  19. mit Schande ausgestoßen
  20. nach beigefügtem Votum
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